Die Roboter kommen!


Mensch Maschinen

Von Gretta Louw

Die Augen folgen einem und blinzeln langsam. Die Mundwinkel gehen leicht nach oben und formen ein ruhiges Lächeln während sich der Kopf fragend zur Seite neigt. Aber irgendetwas stimmt nicht ganz; die Bewegungen sind von einer Intentionalität, die verdächtig eingeübt wirkt. Konfrontiert mit etwas, das eindeutig nicht menschlich ist, sich aber zu sehr wie ein Mensch verhält und zu sehr wie einer aussieht, befindet man sich plötzlich in einem unheimlichen emotionalen Hinterland. Das rationale Bewusstsein, dass das Ding vor einem kein Betrüger ist und keine Bedrohung darstellt, lindert das Ganze nur ein wenig, denn das Reptiliengehirn behauptet genau das Gegenteil. Es ist nur eine komplizierte Montage aus synthetischen Materialien, mechanischen Teilen und programmierter Elektronikschaltung.

Es ist inzwischen fast ein Jahrhundert her, dass das Wort „Roboter” dank eines 1920 vom tschechischen Dramatiker Karel Čapek geschriebenen Stückes in unseren Wortschatz gelangte. Egal, ob als Gegenstand utopischer Hoffnungen oder dystopischer Ängste, der Tropus des nicht-organischen Menschenähnlichen stellt seitdem eine faszinierende Linse dar, durch die man die Versuche der Menschheit, sich selbst und ihre unbehagliche Abhängigkeit von Technik zu verstehen, betrachten kann. Von klobigen Zinnmännern und Sci-Fi Bösewichten bis hin zu allgegenwärtigen und trotzdem fast unsichtbaren Vermittlern des modernen Lebens—und in letzter Zeit vernetzte „Wesen", die körperlos online existieren—die Rolle, die Design bei der Evolution der Roboter gespielt hat, wird momentan stärker denn je gefeiert. Man muss sich nur kürzlich erschienene Bücher wie Max Aguilera-Hellwegs Humanoids anschauen oder eine Reihe von Filmen, darunter Werner Herzogs langersehntes Lo and Behold oder die Welle von Ausstellungen mit Robotern zum Thema, die sich in letzter Zeit in Museen von Chicago und London bis Tokio ausbreiten.

Der aktuelle Ausstellungshit, Robots, im Science Museum in London konzentriert sich auf menschenähnliche Roboterdesigns im Laufe der Geschichte. Der Kurator Ben Russell erklärt, dass diese „Roboter uns daran erinnern wer wir sind, weil sie im Grunde Spiegel sind..." Und er hat Recht. Man kann so viel über Menschheitsgeschichte aus den technologischen Golems, die wir kreieren, lesen. Die umständlichen Metallrüstungen früher Roboter wie Eric, dem ersten britischen Roboter, der seinen ersten öffentlichen Auftritt 1928 hatte, reflektieren eindeutig die damalige Ästhetik der industriellen Revolution; eine Zwischenkriegs-Herangehensweise an technischen Fortschritt mit brutaler Kraft; Stahl, Verbrennung und einfache Mechanismen. In der Nachkriegszeit dagegen änderte sich die Designästhetik dramatisch, mit einem Wechsel zu geschmeidigen, modellierten Formen, die durch das neue Wundermaterial Plastik und die Aerodynamik des Space Age ermöglicht wurden. Seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts hat allerdings ein grundlegender Wandel stattgefunden. Das Internet und unsere Verwobenheit mit digitalen Geräten haben zu gigantischen Super-Netzwerken geführt. Jetzt können wir von unseren Robotern—egal, ob in physischer Form wie der Kuri Heimroboter oder rein digital wie Siri oder Alexa—erwarten, dass sie ansprechbar und intelligent sind; aus unseren Interaktionen lernen und einen noch nahtloseren Service anbieten. Während die Grenzen zwischen menschlichen Bedürfnissen und technischen Möglichkeiten immer mehr verschwimmen, werden humanoide Roboter immer menschenähnlicher—wie zum Beispiel die Geminoids des berühmten Robotertechnikforschers Hiroshi Ishiguro—und Menschen werden gleichzeitig immer mehr zu Cyborgs.

In der Ausstellung Hello, Robot, die—nachdem sie im Vitra Design Museum zu sehen war—2018 zum MAK Museum für Angewandte Kunst, Design Museum Gent und Gewerbemuseum Winterthur wandert, zeigt eine große Bandbreite an Arbeiten an der Schnittstelle von Design und Robotertechnik vom letzten Jahrhundert bis heute. Besonders bemerkenswert sind hier die ausgestellten Roboter aus den 1950er, 60er und 70er Jahren; Spielzeuge, Produkte und Ikonen der Popkultur, die in der damaligen Zeit eine Zukunft in der Raumfahrt repräsentierten. Man denke an die klassischen, kastenförmigen Roboter in 8-bit-Optik, die wir aus unserer Kindheit kennen und mit selbstgemachten Halloween Kostümen aus Pappkartons und Alufolie nachahmten. Oder die Version, die man heutzutage wohl am häufigsten sieht, das Roboter Emoji. Diese anthropomorphen Roboterfreunde und -feinde gingen im 20.Jahrhundert aber natürlich nie über den Bereich der Novität hinaus.

Heute arbeiten die unterschiedlichsten Arten von Robotern für und mit uns, aber nicht als humanoide Diener aus Metall, die in den 1940ern vorher gesehen wurden. Die Kolonialisierung der Welt durch Roboter war auch ganz sicher nicht eine pauschale, furchteinflößende Invasion wie Filme von Flash Gordon (1936) bis hin zu Terminator (1984) befürchten ließen. Stattdessen war es ein leises, stetiges Voranrücken immer wirksamerer „Helfer", angefangen mit Roboterarmen, automatisierten Monteuren in Fabriken und Helfern für behinderte Personen bis hin zu Prototypen mit künstlicher Intelligenz, Mikrochirurgen, Weltraumforschern und selbstangetriebenen Hilfsmitteln für das häusliche Leben wie der Roomba oder Yves Béhars bionische Ori Einrichtungen. Ein technologischer Fortschritt nach dem nächsten führte zu einer andauernden Feedbackschleife zwischen Mensch und Maschine, angetrieben von einem symbiotischen Verhältnis zwischen Theoretikern, Künstlern, Ingenieuren, Wissenschaftlern, Bastlern und Designern, mit dem gemeinsamen Ziel das Leben leichter und leichter zu machen. Hello, Robot stellt den Besuchern prägnant die Frage: „Könnte deine Arbeit von einem Roboter übernommen werden?" Es hat sich herausgestellt, dass die wirkliche Bedrohung, die von der Roboterrevolution ausgeht, unsere eigene Unterbeschäftigung und vielleicht auch Überflüssigkeit ist.

Anouk Wipprecht's Spider Dress 2.0 (2015) Photo © Anouk Wipprecht / Jason Perry
Die Science Gallery in Dublin untersucht momentan genau diese Sorge mit Humans Need Not Apply. Für diese Institution ist der Kern unserer gegenwärtigen Unruhe folgendes: „Wird sich die Idee von Arbeit komplett verändern, wenn Maschinen wirklich alles besser, schneller und länger machen können? Rasen wir gemeinsam auf eine Freizeit-Utopie oder auf von Robotern betriebene Menschen-Zoos zu?" Die Ausstellung trägt zu dieser Provokation bei, indem sie Projekte wie Driessens & Verstappens Tickle Salon (2002-2017) zeigt, eine Roboterinstallation, in der sich der Teilnehmer auszieht, sich auf ein Bett legt und seinen oder ihren Körper mit einer Algorithmus-gesteuerten weichen Bürste streicheln lässt­—die Simulierung des angenehmen Gefühls an einem warmen Sommertag auf einer Wiese zu liegen. Was ebenfalls Spaß macht: Lady Chatterley’s Tinderbot (2016) von Libby Heaney. Hier trifft man auf einen Tinderbot mit künstlicher Intelligenz, der als Figuren aus Lady Chatterleys Liebhaber Gespräche mit echten Tindernutzern führt. Es scheint als könnten uns Roboter sowohl bei der Arbeit als auch in der Freizeit ersetzen.

Aber was, wenn die wirkliche Frage nicht ist, ob Roboter das Leben, so wie wir es kennen, besser oder schlechter machen, sondern stattdessen,ob wir (als Menschen) etwas anderes, größeres werden können? Können wir uns mit der Hilfe von Robotertechnik und künstlicher Intelligenz weiter entwickeln? Vitras Hello, Robot enthält auch die spekulativen Designs der Künstlerin Susanna Hertrich, die in ihren eigenen Worten „Prothesen für die moderne Psyche" sind. Hier werden Handgeräte als technologische Helfer erdacht, die die menschlichen Sinne, Instinkte und emotionalen Reaktionen verbessern und uns somit geeigneter für das 21.Jahrhundert werden lassen. Außerdem gibt es Anouk Wipprechts visuell fesselnde und anziehbare „Fashion-Tech" Designstücke zu sehen. Wipprecht beschreibt diese als technologische Couture, die auf Entwicklungen innerhalb der künstlichen Intelligenz zurückgreift, um „als 'Wirt' Systeme auf dem menschlichen Körper" zu interagieren, was durch fantastische Designs, die „sich bewegen, atmen und auf ihre Umgebung reagieren" erreicht wird. Ihr 3D-gedrucktes Spider Kleid (mit Intel Edison Mikrocontrollern) erkennt, wenn der Träger physisch bedroht wird und bewegt sich, um Übergriffe abzuwehren. Nähert sich ein potenzieller Angreifer, signalisiert der Atem des Trägers den Roboterarmen des Kleides eine Verteidigungsposition einzunehmen. Nähert sich die andere Person zu schnell, fahren die Arme aggressiv aus.

Der Antrieb für technologische Fortschritte in der Robotertechnik war schon immer die Suche nach einer besseren Lebensqualität; oder, wie Rachel Armstrong, die Kuratorin der Science Gallery Dublin es ausdrückt: „im Kern jeder Technologie liegt ein Wunsch" Wir durchleben eine Epoche, in der die Welt sich immer mehr wie die Konstellation in einem düsteren Science-Fiction Roman anfühlt. Von Umweltzerstörung über selbstfahrende Autos bis hin zu einer alternden Bevölkerung und immer größer werdenden ökonomischen Problemen sind alle Elemente vorhanden. Egal, ob Künstler oder Ingenieur, Wissenschaftler oder Theoretiker; diejenigen, die Roboter entwerfen versuchen eine bessere Zukunft zu kreieren. Heutzutage fällt es schwer an einen anderen Bereich im Design zu denken, der so viel Verantwortung oder—je nach Blickwinkel—Hoffnung trägt.

 

Ein großes Dankeschön an Vitra Design MuseumScience Museum, LondonScience Gallery, Trinity College, Dublin und Museum of Science & Industry, Chicago.

  • Text von

    • Gretta Louw

      Gretta Louw

      Die multidisziplinäre australische Künstlerin Gretta wurde in Südafrika geboren und lebt zurzeit in Deutschland. Sie ist Sprachenthusiastin und Weltenbummlerin, hat einen Abschluss in Psychologie und eine große Vorliebe für die Avantgarde.
  • Übersetzung von

    • Annika Hüttmann

      Annika Hüttmann

      Annika ist umgeben von skandinavischem Design zwischen Norddeutschland und Südschweden aufgewachsen. Für ihr Literaturstudium zog sie nach Berlin und entdeckte dort ihre Leidenschaft für deutsche Vasen aus den 1950ern-70ern, von denen sie inzwischen mehr als 70 Stück besitzt.

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