Ein Besuch bei Martin Holzapfel


In Harmonie

Von Anna Carnick

Eines Morgens hatten wir das Vergnügen, einige Stunden mit dem Berliner Designer Martin Holzapfel zu verbringen. Bei einem Kaffee in seinem wunderschönen Zuhause/Studio - ein romantischer Altbau im pulsierenden Berliner Ortsteil Gesundbrunnen, mit durchgehend hohen Decken und originalen Verzierungen aus der Jahrhundertwende, ergänzt durch Holzapfels eigene, farbenfrohe Stücke - diskutierten wir über Inspiration und kreative Entwicklung. Holzapfel, der die Hauptstadt seit fast zwei Jahrzehnten sein Zuhause nennt, hat gleichzeitig ein ruhiges sowie beruhigendes Auftreten und eine ansteckende Leidenschaft. Er liebt moderne Kunst und Architektur, Musik und den kinetischen, kreativen Geist Berlins. 

Als wir in Holzsapfels ruhigem Wintergarten saßen, auf die geschäftigen Straßen unter uns blickten und zu beiden Seiten umgeben waren von perfekt abblätternden, blaugrün gestrichenen Wänden, lernten wir diesen besonderen Menschen ein wenig näher kennen. Hier folgen die Highlights unseres Geprächs. 

 

Anna CarnickWie würden Sie die Anziehungskraft Berlins auf berufstätige Designer beschreiben? Bietet die Stadt bestimmte Vor- oder Nachteile?

Martin HolzapfelIch würde die einzigartige Dynamik der Stadt als Vorteil für Designer bezeichnen. Als ich Anfang des Jahrtausends nach Berlin zog, hatte der Fall der Berliner Mauer gerade neue Bereiche in der Stadt eröffnet und zwei unterschiedliche Gesellschaftssysteme trafen zum ersten Mal direkt aufeinander. Diese Begegnung schuf Impulse, die bis heute die besondere Stimmung und Begeisterung der Stadt prägen. Diese Besonderheit zog viele kreative Menschen an, was auch dazu beitrug, die Stadt zu einem kulturell reichen Ort zu machen. Als sehr junge und schnell wachsende Weltstadt, erweitern sich die Möglichkeiten und Anreize für Designer immer weiter. 

Für mich bietet Berlin - und insbesondere mein Ortsteil - eine Mischung der Kulturen und den Zugang zu Kunst, Musik und anderen Inspirationsquellen, die von unschätzbarem Wert sind.

Holzapfel Zuhause Foto © Pedro Gething für Pamono
AC:
Ihre Arbeit zelebriert durchgehend sowohl farbenfrohe Designs als auch einfache Formen. Wie würden Sie die ästhetische Entwicklung Ihrer Designs angesichts der breiten Fächerung dieser beschreiben?

MH: Am Anfang waren meine Möbelstücke oft einfarbig, wie die Objekte Bureau oder Elephant, oder zweifarbig, wie das Sideboard Dock150. Die minimalistischen Formen wurden durch die monochrome Farbwahl betont. Im Laufe meiner Beschäftigung mit Form und Farbe wurden die Möbelstücke jedoch mehrfarbig, wie beim Regard Schrank oder beim Crossing Tisch. Bei diesen neueren Stücken interessiert mich das Verhältnis von zweidimensionalen Flächen zu dreidimensionalen Formen, graphischen Darstellungen und den entsprechenden Formen. Es sind weitere Arbeiten wie die Draft Serie entstanden, die mit einem Maximum an Farbe wirkt. Dabei lösen die Farbkombinationen die Formen fast auf. Im Allgemeinen ist es eine Möglichkeit, die Funktion, die Form und die Farbe des Möbelstücks möglichst aufeinander abzustimmen. Mit anderen Worten: Es ging darum, eine perfekt ausbalancierte Schnittmenge aus Design, Bildhauerei und Malerei zu finden. Es geht darum, unerwartete Ausdrucksmöglichkeiten zu finden - komplex und einfach zugleich.

AC: Apropos Bildhauerei und Malerei, einige Ihrer Stücke erinnern an die geometrische Abstraktion des 20. Jahrhunderts. Können Sie uns ein wenig über den Einfluss anderer Kunstformen - insbesondere der modernen Kunst - auf Ihre Arbeit erzählen?  

MH: Die moderne Kunst und die Architektur spielen bei meiner Arbeit eine Schlüsselrolle. Sich Inspiration aus anderen Bereichen zu holen, kann neue Wege im Design eröffnen. Das Studium von Kunst, Architektur und darüber hinaus, erweitert das Verständnis von Räumlichkeit und Farbe. Es ermöglicht, über den Rand des praktisch-funktionalen hinauszublicken.  

AC: Gibt es bestimmte Künstler, die Sie besonders inspirierend finden? 

MHIn erster Linie wurde ich von dem Architekten Le Corbusier beeinflusst, der in seinem Werk alle Künste zu vereinen vermochte. Außerdem bewundere ich die amerikanische Minimal Art der 60er Jahre - und besonders Künstler wie Donald Judd, Frank Stella, Richard Artschwager, Ellsworth Kelly - sowie die Konkrete Kunst der 50er und Künstler wie Max Bill, Richard Paul Lohse und Günter Fruhtrunk.

Meine Inspiration stammt vor allem von Künstlern, die sich nicht der Vorstellung von Grenzen beugen.

Holzapfel’s Crossing Esstisch Foto © Martin Holzapfel, Mit freundlicher Genehmigung des Designer
AC
: Was denken Sie über Musik?

MH: Für mich ist Farbe wie Musik. Wenn ich gestalte, verwende ich verschiedene Töne oder Farben, um Spannung zu erzeugen oder um Harmonie zu schaffen. Für mich als Designer stellt die Farbe in der Regel den emotionalen Teil dar, wohingegen die Form häufig den funktionalen Teil beschreibt.

Ich glaube, dass Musik die Kunstform ist, die uns am unmittelbarsten berührt. Auch Farbe erzeugt eine eigene Art von Klang. So kann der Einsatz von Farbe - einzeln und in Kombination - eine Melodie, einen Rhythmus, eine Stimmung schaffen. Sie macht das Objekt attraktiv und im besten Fall lebendig.

AC: Gibt es Musikgenres, die Sie besonders interessieren?

MH: Als Inspirationsquelle bevorzuge ich vor allem zeitgenössische klassische Werke wie die des amerikanischen Minimal Music Komponisten Steve Reich oder Kompositionen des ungarisch-österreichischen György Ligeti. Ebenso bewegen mich elektronische Musik und moderner Jazz. Genau wie bei der Kunst, interessiere ich mich für Musik, die, was deren Komposition angeht, Grenzen austestet und überschreitet.

AC: Was kommt als nächstes auf Sie zu?  

MH: Im kommenden Frühjahr freue ich mich auf eine Ausstellung im Direktorenhaus hier in Berlin, zusammen mit den Designern Elisa Strozyk und Zascho Petkow . Kommt gerne vorbei!

  

Danke, Martin!!

 

*Dieses Interview wurde hinsichtlich der Länge und Übersichtlichkeit bearbeitet und verkürzt.

 

  • Text by

    • Anna Carnick

      Anna Carnick

      Als ehemalige Redakteurin bei Assouline, der Aperture Foundation, Graphis und Clear feiert Anna die großen Künstler. Ihre Artikel erschienen in mehreren angesehenen Kunst- und Kulturpublikationen und sie hat mehr als 20 Bücher herausgegeben. Sie ist die Autorin von Design Voices und Nendo: 10/10 und hat eine Leidenschaft für ein gutes Picknick.
  • Photos by

    • Pedro Gething

      Pedro Gething

      Unser Multitalent Pedro ist immer voller guter Ideen und von seiner Wahlheimat Berlin ganz begeistert.. Als portugiesisch-britischer Fotograf mit einem Abschluss in Design, ist er von Natur aus neugierig und stillt seinen Wissensdurst, indem er die Welt bereist. Ist er also nicht in unserem Büro anzutreffen, um unsere Fotos zu bearbeiten, ist er ganz bestimmt auf Entdeckungstour.

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