Die Einzigartigkeit des Innenarchitekten Frank Stüve


Bleib Dir selber treu

Von Gretta Louw

Der Designer Frank Stüve ist ein stiller Überflieger der Berliner Designszene und ein Mann voller Überraschungen. Seinen Werdegang begann er als Blumenhändler in Wien. Dort beeindruckt er seine Kundschaft dermaßen, dass ihm eine Unternehmensgründung angeboten wurde. Gemeinsam mit seiner Geschäftspartnerin Gisela von Schenk eröffnete er daraufhin einen Laden für Innenarchitektur, die Villa Harteneck, und er erweiterte seine Tätigkeit von Blumengestecken über Accessoires hin zu Möbeln. Im Zuge dessen begann er damit, immer mehr Räumlichkeiten in der denkmalgeschützten Villa zu mieten, die in einer von Berlins schönsten Parks liegt und ihm derzeit als Studio dient. Seit 13 Jahren ist er nun dort ansässig und er verwandelt die Villa Harteneck in eine beliebte Einrichtung für luxuriöse Innenausstattung.

Mit wachsendem Bekanntheitsgrad etabliert sich auch  seine Fangemeinde. Im Jahre 2012 eröffnet er ein eigenes Studio, Frank Stüve, in Berlin Mitte. Heute arbeitet er mit hochrangigen deutschen Filmstars und Designgrößen zusammen und bietet sowohl dezente als auch sorgfältig abgestimmte Innenraumgestaltung. Wir sprachen mit dem charmanten Designer, um herauszufinden, wie er seinen Stil definiert, was sein Studio so besonders macht und wie er an verschiedene Projekte herangeht.

 

Gretta Louw: Ihr Weg zur Innenarchitektur ist sehr außergewöhnlich. Wie berücksichtigen Sie Ihre ursprünglichen Arbeitsweisen in Ihrer heutigen Praxis?

Innenarchitekt Frank Stüve Foto © Jochen Arndt
Frank Stüve:
 Anfangs war die Villa Harteneck eine Art Blumenladen mit Konzept, bevor ich schließlich Möbel dort ausstellte. Die Menschen in Berlin denken immer noch: “das ist doch der Blumenhändler, der auch Möbel macht.” Das wird auch immer meine Grundlage bleiben, selbst in meiner heutigen Praxis. Mir geht es um Farbe, Form und Beschaffenheit - Dinge, die auch für Blumendekor wichtig sind. Wenn ich heutzutage mit meinem Team an Innenarchitekt*innen arbeite und Pläne für Badezimmer, Küchen etc. entwerfe, fügen wir Elemente zusammen, um daraus ein Haus zu bauen. So erstellen wir auch unsere Blumengestecke. Ich liebte meinen damaligen Beruf und die Freude, die man jemandem macht, wenn man den perfekten Blumenstrauß zusammensteckt. Aber heute mache ich keine Bestecke mehr! [lacht]

Was ich aus meiner Zeit bei der Villa Harteneck gelernt habe ist, dass kreatives Arbeiten oft darunter leidet, wenn die Objekte zum Verkauf stehen. Heutzutage liegt der Schwerpunkt meines Studios auf Einrichtungskonzepten, also auf der kreativen Seite. An einem Tag arbeiten wir mit den Erbstücken unserer Kundschaft. An einem anderen Tag stöbern wir gemeinsam auf Pariser Flohmärkten oder auf der Seite von Pamono. Wir arbeiten am Designkonzept und es geht nicht mehr hauptsächlich um den Verkauf. Wir können also viel flexibler sein.

GL: Wie sieht ein vollendetes Einrichtungskonzept aus? Können Sie uns Ihre Arbeitsweise erläutern?

FS: Wir starten so früh wie möglich, insbesondere, wenn es um ein neues Bauprojekt geht. Wir gehen mit Architekt*in und Kund*in hin, um im ersten Schritt einen funktionalen Plan zu erstellen: Wie soll der Raum für die Kundschaft und ihre Familien aufgeteilt werden? Kochen sie oft zuhause? Haben sie viele Gäste zu Besuch? Und wenn ja, soll der Wohnraum eher schick und eindrucksvoll sein oder eher familiär und gemütlich? Wir versuchen ihren Lebensstil und ihre Wünsche zum Vorschein zu bringen, oft fühlen wir uns wie Coaches.

Vielleicht heißt es: “Mein Mann kommt abends spät nach Hause und braucht seine Ruhe.” In diesem Fall versuchen wir, zusätzlich zum gewöhnlichen Esszimmer, eine getrennte Essnische für die Eltern einzuplanen. Der funktionale Plan steht immer als Erstes. Erst danach arbeiten wir am Layout und nutzen Platzhalter, um Größe und Anordnung der Möbel zu bestimmen. Anschließend arbeiten wir an dem Beleuchtungsplan, der unentbehrlich ist.

Wenn wir von unserer Kundschaft die Zustimmung erhalten, gehen wir zusammen durch unser Textilarchiv. Hier führen wir alle möglichen Stoffe, Tapeten und Teppiche und suchen gemeinsam nach Inspirationen. Die Kund*innen suchen sich ihre Lieblingsstoffe oder Farbkombinationen aus, die wir dann als Anregung für das übergreifende Einrichtungskonzept verwenden. Auch hier geht es um Betreuung und die Abwägung verschiedener Komponenten.

Im grauen Berlin kann zuviel Türkis schnell kitschig oder künstlich wirken. In diesem Fall, empfehlen wir es, türkisfarbene Akzente zu setzen, wie Kissen oder Beleuchtung, anstelle größerer Möbelstücke wie etwa ein Sofa. Beim Zusammenstellen der Farbpalette sehen wir uns die Kunstwerke unserer Kundschaft an, insofern diese vorhanden sind. Einerseits hören Künstler*innen sehr ungerne, dass wir Vorhänge aussuchen, die zu ihren Kunstwerken passen [lacht]. Andererseits wollen wir nicht gegen mögliche bereits vorhandene dominante Farben arbeiten.

Nachdem wir also Bodenbeläge und Wandfarben ausgesucht haben, widmen wir uns der Auswahl der eigentlichen Möbel. Wir erstellen Collagen aus Materialien, sehen uns die Lieblingsstücke im Besitz der Kund*innen an, und suchen anschließend nach besonderen Stücken, Stoffen und Farben, um konkrete Vorschläge anbieten zu können.

Das Textilarchiv Frank Stüves Foto © Jochen Arndt

GL: Obwohl Ihre Einrichtungen alle sehr einzigartig sind, haben Sie dennoch einen besonderen Stil. Dies liegt wohl an der Art und Weise, wie Sie Gegenstände kombinieren. Das Gesamtbild wirkt immer sehr ästhetisch.

FS: Ich finde die Beschaffenheit von Objekten immer sehr wichtig. Das hängt wahrscheinlich mit meinen Erfahrungen als Blumenhändler zusammen. Das heißt konkret: Leder und Messing, oder Samt (aber nicht zuviel) mit einem rustikalen, rauhen Holz. Ich versuche immer zwischen den verschiedenen Oberflächen eine gewisse Spannung zu erzeugen. Samt würde ich mit einem vermessingten oder verspiegelten Tisch nicht kombinieren. Dafür aber einen antiken belgischen Bauerntisch mit einem Samtsessel. Oder wenn ich mit einem Esstisch in Hochglanz arbeite, würde ich Sessel in Wildleder oder Leinen hinzufügen, etwas mit ein wenig Oberflächenstruktur, das ein wenig Kontrast bietet.

Das Ziel besteht darin, die Einrichtungen immer so wirken zu lassen, als wären sie zufällig entstanden. Das passiert nur, wenn die Bestandteile gut kombiniert wurden. Generell mögen es die Menschen nicht, wenn sie in offensichtlich gestalteten Wohnräumen leben, die von einem bestimmten Designstudio entworfen wurden, da diese immer dieselben Sachen machen. Ich würde lieber einen anderen Weg einschlagen und nach neuen Kombinationsmöglichkeiten suchen. Wenn wir 12 Esszimmerstühle benötigen, bestellen wir 10 und suchen die übrigen 2 auf einem Flohmarkt. Oder wir nutzen die in Bali erworbenen Trommeln als Beistelltische. So können Kund*innen ihre eigenen Geschichten erzählen.

Eine Berliner Einrichtung Foto © Jochen Arndt

GL: Innenarchitektur im eklektischen Stil - die Verwendung importierter Stücke, die kulturelle Artefakte sein könnten - kann ziemlich problematisch werden und schnell in den Bereich der kulturellen Aneignung übergreifen. Wie gehen Sie damit um?

FS: Eine Wohnung soll die Menschen, die darin leben, wiederspiegeln. Heutzutage reisen die Menschen oft. Ich arbeite beispielsweise mit jungen Familien zusammen, die mit ihren kleinen Kindern viel durch Asien gezogen sind, damit ihr Nachwuchs andere Kulturen kennenlernt. Diese Familien haben keine Hemmungen in ihrer Wohnung einen Raum zu haben, der von der traditionellen japanischen Kultur inspiriert ist, da sie viel Zeit dort verbracht und die Kultur lieben gelernt haben. Es wirkt nicht authentisch wenn jemand, der Berlin nie verlassen hat, plötzlich einen Tisch aus Bali besitzt. Eklektizismus ist ein weitgefächerter Begriff. Alles kann eklektisch sein, aber es muss eben die Person wiederspiegeln, die dort lebt.

GL: Sie arbeiten oft im höheren Marktsegment. Was bedeutet Luxus für Sie?

FS: Ich denke Luxus bedeutet heute eher, Zeit zu haben, als ein teures Sofa zu besitzen. Auf den Mailänder Messen gibt es die sogenannten "Luxusmarken" - diese Bezeichnung trifft es aber nicht genau. Es geht hier nicht um Luxus, sondern um hohe Preise. Es handelt sich vielmehr um Luxus, überhaupt ein Zuhause zu besitzen und dieses einrichten zu lassen. Es gibt allerdings Menschen, die sich stark an  Preisen orientieren. Ist es nicht teuer, handelt es sich nicht um Luxus. Aber ein Stoff in einem bestimmten Farbton muss nicht teurer sein als ein anderer. Der Luxus liegt darin, den genauen Farbton zu treffen und eine gute Stoffqualität zu besitzen. Dann sind Marke und Preis ganz egal. Für mich hat das Wort “Luxus” meist einen negativen Beigeschmack.

Vor einigen Jahren kam ein Kunde zu uns, der von London nach Berlin in eine 30 qm große Wohnung zog. Er meinte: “Sicherlich würdet ihr so ein kleines Projekt wie meines nie annehmen.” Aber ich meinte: “Nein, genau das finde ich daran spannend!”

Vor ein paar Jahren meinte Li Edelkoort, Designer*innen müssten lernen, sich mit kleineren Räumlichkeiten zu beschäftigen, da zukünftig mehr Menschen auf kleinem Wohnraum leben werden . Sie werden nicht mehr in 200 qm großen Appartements wohnen, sondern in Einzimmerwohnungen, möglicherweise mit einem zusätzlichen Landhaus. Oder nur in einer Wohnung und dafür aber oft auf Reisen gehen. Alles was sie brauchen, muss in diesen kleinen Raum passen, wie bequeme Sofas, ein großartiger Essbereich usw. In einem kleinen eigenen Raum alles zu haben, was man braucht, ist ebenso ein Luxus. Vielleicht bedeutet Luxus alles zu haben, was man benötigt.

Villa Harteneck Einrichtungskonzept von Frank Stüve Foto © Mark Seelen

GL: Absolut. Und doch, wenn man sich Ihre bisherige Arbeit ansieht, sind Sie eindeutig kein Minimalist! [lacht]

FS: Ja, in der Tat nicht. Naja, ich denke ein minimalistischer Stil ist am einfachsten zu erreichen. Dazu nimmt man einen Raum, fügt ihm zwei Sofas hinzu und ein Konsolentisch, der die formalen Qualitäten der Sofas unterstreicht und fertig! Aber wir arbeiten nur selten mit solchen Kundenwünschen. Aber das  Wort “opulent” widerstrebt mir auch. Wenn wir minimalistische Sofas einsetzen, dann mit rostfarbenen Gestellen und womöglich petrolblauen Kissen, um dem Ganzen etwas mehr Leben zu verleihen.

Aber klar; wir können gerne minimalistisch arbeiten, es ist ganz einfach! Polierte Betonböden, ein weißes Sofa und vielleicht ein paar interessante Bilder an den Wänden. Nein, ich denke ich bin doch kein Minimalist. Wobei, manchmal hätte ich gerne eine tolle Tapete und davor einen Sessel und der Rest des Raumes bleibt leer. Aber das ist im Alltag unrealistisch.

GL: Ihre Liebe zum Detail, Ihre Tischdeko, Blumenelemente, dekorative Skulpturen usw. scheinen beinahe Ihr Markenzeichen zu sein. Sehen Sie sich eher als Maximalist?

FS: Den Begriff Maximalist hört man seltener als Minimalist! Ich finde am Ende des Projekts sollte man immer an Accessoires denken, weil sie eine Geschichte erzählen und dem Interieur Leben einhauchen. Oft werde ich nur mit Dekoration in Verbindung gebracht und muss mich dagegen wehren. Die Fotograf*innen, mit denen ich arbeite, lieben es allerdings. Sobald ich versuche, Dinge aus dem Bild zu räumen, wollen sie diese immer mit ablichten, weil die Kombination so schön ist. Vielleicht muss ich mir einfach selbst treu bleiben! [lacht]

  • Text by

    • Gretta Louw

      Gretta Louw

      Die multidisziplinäre australische Künstlerin Gretta wurde in Südafrika geboren und lebt zurzeit in Deutschland. Sie ist Sprachenthusiastin und Weltenbummlerin, hat einen Abschluss in Psychologie und eine große Vorliebe für die Avantgarde.

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