L’Atelier de Recherche et Création bringt der Welt französisches Design


Vive l’Arc

Von Suzanne Demisch & Stephane Danant

Frankreich bekam seinen anhaltenden Ruf für hervorragende dekorative Künste nicht vollkommen zufällig. Seit dem 17. Jahrhundert spielt die französische Regierung eine aktive Rolle bei der Kreation, Erhaltung und Distribution national produzierter Einrichtungen und objets d’art, welche damals wie heute als Träger der herausragenden kulturellen Identität des Landes geschätzt und beworben werden. Während dieser Einsatz anfangs selbstverständlich auf handwerkliche Arbeiten – Tapisserien, Möbelbau, Porzellan etc. – beschränkt war, umfasste diese nationale Leidenschaft für Qualität mit der Zeit auch Industriedesign.

1663 gründete Jean-Baptiste Colbert, welcher Finanzminister unter Louis XIV war, die Garde-Meuble de la Couronne als Behörde für Qualitätskontrolle, die dafür verantwortlich war, die Inventare des Staates zu regulieren, die königlichen Einrichtungen zu bewahren und zu pflegen und traditionelle Techniken und Werkstätten zu erhalten. Diese Mission wurde unter wechselnden Behördennamen über die Jahrhunderte fortgeführt und fällt heute in den Zuständigkeitsbereich des Mobilier National.

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, begann Frankreich damit, die traditionelle Herangehensweise an die Möbelherstellung zu überprüfen und erkannte viel später als andere europäische Länder die Notwendigkeit, zu modernisieren und sich an die Massenproduktion anzupassen. Während das Handwerk weiterhin sehr geschätzt wurde, stellte der Staat eine wachsende Nachfrage nach Einrichtungen im modernen Stil fest. Zudem musste die französische Regierung ausländische Märkte erschließen und hielt Industriedesign für mögliches profitables Exportgut.

1964 schuf der Kulturminister André Malraux eine neue Abteilung in der Mobilier National. L’Atelier de Recherche et Creation (l’ARC) widmete sich der Entwicklung industrieller Prototypen, für die zeitgenössische Materialien, Techniken und Formen verwendet wurden. Fast von Beginn an arbeitete ARC mit epochemachenden Designern zusammen, deren Arbeiten Frankreichs Platz in der Geschichte der Moderne sicherstellten.

1969 zum Beispiel lud Mobilier National auf Wunsch des Präsidenten George Pompidou den Designer Pierre Paulin ein, die Privatwohnungen des Präsidenten im Palais de L’Elysee einzurichten. Paulin konzipierte die Dekoration der Räume, entwarf die Möbel und betreute die Ausführung der Prototypen in den ARC Werkstätten. Pompidou wünschte sich eine moderne Umgebung in welcher er seine Sammlung zeitgenössischer Kunst ausstellen konnte, die jedoch gleichzeitig die Originalwände des Palastes aus dem 18. Jahrhundert bewahrte. Paulin kreierte daher eine große Struktur aus Jersey, einem Material, das zu seinem Markenzeichen wurde. Er entwickelte Tische, Lampen, Sofas und Stühle – von denen einige später von Alpha International, Mobilier Nationals Partner für Vertrieb und Massenproduktion, in kleine Serien verwandelt wurden.

Als Teil der Mission, französisches Design weltweit zu verbreiten, bat Mobilier National Olivier Mourgue die Sitze und Tische für den französischen Pavillon auf der Expo 1967 in Montreal zu entwerfen. 1970 arbeitete die Behörde nochmals mit Pierre Paulin zusammen, diesmal an einer Installation für die Expo in Osaka, für welcher er das inzwischen berühmte Amphis Sofa kreierte. In beiden Fällen wurden aus diesen Prototypen von der ARC organisierte Editionen, welche heutzutage sowohl bei institutionellen als auch bei privaten Design-Sammlern sehr gefragt sind.

Über die letzten vier Jahrzehnte war die ARC für mehr als 500 Möbeldesigns verantwortlich, die bei fast sämtlichen bekannten französischen Designern, die man sich vorstellen kann, in Auftrag gegeben wurden: von Pierre Paulin und Olivier Mourgue in den 1970ern über Garouste & Bonetti und Martin Szekely in den 1980ern bis hin zu Ronan & Erwan Bouroullec in den 1990ern. Auch heute noch arbeitet Mobilier National aktiv daran, französische dekorative Künste und französisches Design zu promoten und zu erhalten. Die ARC unterstützt weiterhin die Forschung an neuen Materialien und die Entwicklung von Prototypen in Zusammenarbeit mit herausragenden Designern und Herstellern. Louis XIV wäre sicher stolz.

  • Text von

    • Suzanne Demisch & Stephane Danant

      Suzanne Demisch & Stephane Danant

      Mit Sitz in Chelsea verbindet Suzannes und Stephanes Galerie Demisch Danant modernes New Yorker Feingefühl mit europäischem Nachkriegsdesign. Seit dem Jahr 2000 arbeiten die beiden zusammen daran, Koryphäen des Designs in aufwendig kuratierten, vielschichtigen und dennoch zugänglichen Expositionen auszustellen.
  • Übersetzung von

    • Annika Hüttmann

      Annika Hüttmann

      Annika ist umgeben von skandinavischem Design zwischen Norddeutschland und Südschweden aufgewachsen. Für ihr Literaturstudium zog sie nach Berlin und entdeckte dort ihre Leidenschaft für deutsche Vasen aus den 1950ern-70ern, von denen sie inzwischen mehr als 70 Stück besitzt.