The Chair von Hans Wegner
Der einzig Wahre
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Hans Wegner's The Chair
Image © Katja Kejser & Kasper Holst Pedersen / Courtesy of PP Møbler
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Hans J. Wegner
Image © Jens Mourits Sørensen
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The Chair in the PP Møbler workshop
Image © Jacob Ehrbahn
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The Chair in the PP Møbler workshop
Image © Katja Kejser & Kasper Holst Pedersen
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The Chair in the PP Møbler workshop
Image © Jacob Ehrbahn
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The Chair in the PP Møbler workshop
Image © Jacob Ehrbahn
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The Chair in the PP Møbler workshop
Image © Jacob Ehrbahn
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Kasper Holst Pedersen, Søren Holst Pedersen, and Ejnar Pedersen of PP Møbler
Image © Katja Kejser & Kasper Holst Pedersen
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Image © Katja Kejser & Kasper Holst Pedersen / Courtesy of PP Møbler
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The Chair in soap treated ash
Image © Jens Mourits Sørensen
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The Chair in soap treated ash
Image © Jens Mourits Sørensen
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Watertower of the Tønder Museum
Image © Jens Mourits Sørensen
Dem dänischen Designer Hans Wegner zufolge, soll ein Stuhl „keine Rückseite haben, sondern aus allen Blickwinkeln ansehnlich sein.“ Dieses Prinzip lag all seinen 500 Stühlen zugrunde, die er im Laufe seines Lebens entwarf, wovon letztendlich 100 produziert wurden. Nur ein Stuhl wurde mit dem international bekannten Kosenamen „The Chair“ versehen. Es handelt sich hierbei um das Exemplar Round Chair aus dem Jahr 1949. Kein anderes Design wurde jemals diese Ehre zuteil.
Wegners Round Chair wurde auf dem Cover der amerikanischen Zeitschrift Interiors 1950 als „schönster Stuhl weltweit“ geehrt und wurde schnell zum Symbol für den Danish Modern Stil, der durch die Einfachheit eleganter, grafischer Linienführung und funktional ausgerichteter Form geprägt ist sowie durch fachmännische Expertise als Ergebnis jahrhundertelanger Erfahrung in der Holzbearbeitung. Rückenlehne und Armlehnen des Stuhls sind aus einem durchgehenden hölzernen Halbkreis geformt. Als unmittelbare Reaktion auf das kühlere verchromte Metall des Bauhaus kennzeichnet The Chair auch eine neue Ära der Bedeutung dänischen Designs weltweit und prägte neben Werken von Arne Jacobsen, Poul Kjærholm, Finn Juhl und Børge Mogensen die Modern Design Bewegung der 1950er und 60er. Wegner beschreibt die Inspiration für The Chair: „Wir wollten etwas kreieren, das nur wir herstellen konnten… etwas typisch Dänisches.“
Kunstfertigkeit und Komfort waren für Wegner von größter Bedeutung. Er selbst ging im Alter von 17 bis 22 Jahren beim Tischler H.F. Stahlberg in die Lehre. Anschließend studierte er an der Copenhagen School of Arts and Crafts. (er arbeitete auch als Möbeldesigner bei Jacobsen und Erik Møller und eröffnete 1943 sein eigenes Büro in Gentofte.) Der ursprüngliche Entwurf und die Herstellung des Stuhls waren das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Wegner und Möbeltischler Johannes Hansen. Viele von Wegners Designs werden heute noch von dem dänischen Familienbetrieb PP Møbler produziert. (In den 50ern war Johannes Hansen Wegners primäre Werkstatt, aber ab den 60ern fungierte PP Møbler bis zum Ende von Wegners Karriere als solche.). Zu PP Møbler meinte Wegner einst: „Ich wurde oft gefragt, warum wir den Danish Modern Stil erschaffen haben. Ich muss sagen, dass es keine Erschaffung war… ich denke, es war eher ein fortschrittlicher Veredelungsprozess. Für mich war es eine Vereinfachung, die Elemente auf das Wesentliche zu reduzieren.“
The Chair ist die ideale Verkörperung dieser Destillation. Der Stuhl besteht aus vier geraden Stuhlbeinen, zwei Armlehnen und einer geschwungenen Rückenlehne und ist in einer Vielzahl warmer Hölzer verfügbar. Hier vereint sich meisterhafte Technik mit organischen Formen. Der Sitz ist als leicht gewebtes Schilfrohr oder als Lederbezug erhältlich. Gründer und Besitzer von Dansk Møbelkunst Gallery in Kopenhagen, Ole Høstbo, beschreibt die größten Erfolge dieses Designs wie folgt: „Nichts an dem Stuhl ist überflüssig, es gibt keine unnötigen Details. Stattdessen mach Wegner auf die dekorativen Eigenschaften feinsten Handwerks aufmerksam, indem er die Fugen durch wunderschöne Zickzackmuster hervorhebt. Er war einer der ersten, dem eine geschwungene Rundung der Rückenlehne gelang. Sie gibt dem Stuhl seine expressive Gestalt.“
Nennenswert ist auch der erste Entwurf des Chairs. In dieser Version verbanden zwei externe Dübel die oberen Rahmen mit der geschwungenen Rückenlehne und den Armlehnen. Der Designer erkannte jedoch, dass die Dübel und das Holz sich über Zeit vielleicht verformen würden. Um die Stuhlbeine und Armlehnen zu verbinden, verwendete er stattdessen innen angebrachte Nuten und Zapfen, die wie Puzzlestücke zusammenpassten und die Fugen versteckten. Mit diesen Keilen (die damals häufig für Türen verwendet wurden) kreierte Wegner eine ununterbrochene Linie und bewahrte Schönheit und Stärke des Holzes. Er bewies dadurch auch sein Können. „Wenn ich kein Handwerker wäre“, gab er später zu, „wäre ich nie auf diese Idee gekommen“.
Høstbo beschreibt Wegners Einfluss auf Design weltweit: „Er hatte beachtliche handwerkliche Fähigkeiten und konnte seine eigenen Möbel herstellen, was ihn ziemlich einzigartig machte. Teil seiner Geisteshaltung war die Tatsache, dass ein Möbelstück nie vor seinem endgültig entwickelten Entwurf in Produktion ging. Wann immer er ein neues Möbelstück entwarf, nahm er es mit nachhause und probierte es eine Zeit lang aus, um eventuelle Schwächen festzustellen oder Verbesserungen hinsichtlich Design oder Funktionalität vorzunehmen. Sein angeborenes Talent für Handwerk machte seine Möbel umso besser und erhöhte den Standard von Möbeldesign auch auf globaler Ebene.“
Handwerksmeister Kasper Holst Pedersen von PP Møbler ist sieht das ähnlich: „Beim Entwurf des Stuhls ist das Zusammenspiel von herausforderndem Handwerk und elegantem Design deutlich zu erkennen. Der Round Chair wurde zum bahnbrechenden Symbol für die Idee des „demokratischen Designs“, die ursprünglich eine demokratische Interaktion zwischen Handwerker und Designer bezeichnete. (So war dieser Ausdruck zu verstehen, bevor IKEA den Satz für sich nutzte und seine Bedeutung änderte.) 1950 war dies für viele ein Aha-Erlebnis. Generell beruhen die Ausdrücke „Danish Design“ oder „Danish Modern“ auf die Interaktion zwischen Handwerker (vor allem in der Holzverarbeitung) und Designer. Der Round Chair war ein klares Beispiel für den großen Respekt vor traditioneller Holzbearbeitung und ihrer Bedeutung für den Designprozess.“
Pedersen macht auch auf die Bedeutung von The Chair für die Entwicklung Wegners aufmerksam: „Die meisten von Wegners Entwürfen vor dem Round Chair waren Interpretationen klassischer Stühle anderer Kulturen, wie der Peacock Chair (der britische Windsor Stuhl) und der Wishbone, der eigentlich eine industrielle Version des Chinese Chair (Ming Dynastie) darstellt. Wegner präsentiert mit dem Round Chair sein erstes Design, das allein seiner Idee von Form und Konstruktion entsprang. Die organischen Formen, spärlich verwendeten, logischen aber stets eleganten Konstruktionen wurden zum Markenzeichen vieler seiner späteren Arbeiten. Der Round Chair war und ist immer noch das klarste und eindeutigste Beispiel für die Revolution von Design, das zunehmend von logischen funktionsbedingten Formen geprägt war, anstelle von Aussehen und Ausschmückung.“
Zehn Jahre nach der Erscheinung des Stuhls, im September 1960, erhielt The Chair nochmal einen Eintrag in die Geschichtsbücher. Dank seines Komforts und seiner Qualität wurde er für die Übertragung der ersten ausgestrahlten Präsidentschaftsdebatte der USA zwischen Richard Nixon und John F. Kennedy als Sitzgelegenheit verwendet. Beide Kandidaten saßen während der Debatten in Wegners Round Chair. Mitbegründerin der New Yorker Galerie Hostler Burrows, Juliet Burrows, meint: „Die Kulisse wurde mit der Absicht entworfen, sehr modern zu wirken und sollte einen zukunftsweisenden Eindruck erwecken. So präsentierte sich auch Kennedy als „Kandidat der Zukunft“. Die Amerikaner bezeichneten Wegners Stuhl fortan als The Chair.
Heute gilt der Stuhl noch immer als weltweit beliebt und wird von Staatsoberhäuptern und prominenten Einrichtungen benutzt. Das Midcentury Modern erfreut sich wachsender Beliebtheit und so findet auch Wegners Stuhl Anklang bei der nächsten Generation. PP Møbler behauptet, Wegner selbst betrachtete den Round Chair als sein wertvollstes Design. Doch für den Mann, der eines der eindrucksvollsten Ikonen dänischen Designs entwarf, war das Ideal des perfekten Stuhls ein unendliches Unterfangen. Vor seinem Tod im Jahr 2007 soll er gesagt haben: „Den einzig wahren Stuhl gibt es nicht. Ein guter Stuhl ist eine Aufgabe, die man nie endgültig abschließt.“
* Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von PP Møbler
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Text by
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Anna Carnick
Als ehemalige Redakteurin bei Assouline, der Aperture Foundation, Graphis und Clear feiert Anna die großen Künstler. Ihre Artikel erschienen in mehreren angesehenen Kunst- und Kulturpublikationen und sie hat mehr als 20 Bücher herausgegeben. Sie ist die Autorin von Design Voices und Nendo: 10/10 und hat eine Leidenschaft für ein gutes Picknick.
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